Damenbinden nähen für die Selbständigkeit

Nepal Minergy Workshop 2020

Damenbinden nähen für die Selbständigkeit

In Nepal sind Menstruationsprodukte seit März 2020 zur Mangelware geworden. Größtenteils werden sie aus Indien importiert, doch der Handel zwischen beiden Ländern ist aufgrund der Corona-Pandemie zurzeit stark eingeschränkt. Außerdem ist der Vertrieb innerhalb Nepals durch die pandemiebedingten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit stark zurückgegangen. Als Folge erhöhten sich die Preise massiv. Das stellt vor allem arme Frauen, die die höheren Preise für Menstruationsprodukte nicht zahlen können, vor existentielle Herausforderungen. Ohne diese Produkte können sie an einigen Tagen im Monat ihr Zuhause nicht verlassen und auch keiner Arbeit nachgehen.

Zusätzlich haben viele Menschen aufgrund der Maßnahmen gegen die Pandemie ihre Arbeit verloren. Überproportional betroffen sind kleine Betriebe sowie der informelle Sektor. Familien, in denen mehrere Mitglieder von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, müssen zuallererst Essen kaufen – Menstruationsprodukte sind nicht oberste Priorität.

Um sowohl die Versorgung mit Menstruationsprodukten zu verbessern als auch Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen zu schaffen, hat unsere lokale Partnerorganisation MinErgy mit unserer Unterstützung im November 2020 zwei Workshops durchgeführt, in denen Frauen aus Siddhipur und Satungal, zwei Orte im Kathmandutal, lernten, Menstruationsbinden herzustellen sowie eigene Firmen zu gründen. Außerdem lernten sie, potentielle Abnehmer zu finden.

Ein halbes Jahr später berichten Shila Majarjan, Tirtha Devi Maharjan, Nirmala Maharjan und Chiri Maya Maharjan davon, wie es ihnen seitdem ergangen ist.

Nepal Minergy Workshop 2020 Shila Maharjan

Shila Maharjans Reise in Richtung Unabhängigkeit

Shila Maharjan, 31 Jahre, wohnhaft in der Gemeinde Mahalaxmi in Lalitpur, Nepal, ist eine erfolgreiche Unternehmerin, die in mehreren Unternehmen tätig ist. Bevor sie ihr Unternehmen aufbaute, war sie mit dem Stricken von Mützen, Pullovern, Socken und Schals beschäftigt. Dies reichte nicht mehr aus, um die steigenden Ausgaben der Familie zu decken.

Im November 2020 nahm Shila an einer Schulung zum Thema "Wiederverwendbare Damenbinden und unternehmerische Fähigkeiten" als Teil des Projekts "Reaktion auf COVID-19 Auswirkungen im Umgang mit Menstruationshygiene und Schaffung von Existenzgründungsoptionen auf lokaler Ebene", welches durch unsere Partnerorganisation MinErgy durchgeführt wurde, teil. Dieses Training vermittelte ihr grundlegendes Wissen darüber, wie man eine wiederverwendbare Damenbinde herstellt und wie man eine Beziehung zu Marktakteuren und anderen Interessengruppen aufbaut. Die Schulung unterstütze ihr Geschäft durch neu gewonnene unternehmerische Fähigkeiten.  Mit der Unterstützung durch die Frauengruppe aus ihrem Heimatbezirk bemühte sie sich um eine finanzielle Unterstützung durch das Ward Office für den Kauf der Maschinen, welche für die Herstellung von Damenbinden benötigt werden. Jetzt betreibt sie ihr eigenes Geschäft und bietet sechs weiteren Frauen in ihrem Ort Beschäftigungsmöglichkeiten, welche sich mit der Herstellung von wiederverwendbaren Damenbinden beschäftigen. Gleich nach Abschluss der Ausbildung konnte sie 300 Damenbinden an ein Krankenhaus in der Ortschaft liefern.

Herausforderungen

Beim Aufbau ihres Unternehmens standen Shila und ihre Kolleginnen aus der Frauengruppe vor mehreren  Herausforderungen. Die Finanzierung ist ein Engpass für viele Existenzgründer*innen - auch für Shila. Der Zugang zu Krediten ist äußerst komplex, da die Anforderungen einer Bank schwer zu erfüllen sind und die Bankverfahren meist viel Zeit in Anspruch nehmen. Zudem sind die Zinssätze bei Genossenschaften und Mikrofinanzierungen überaus hoch. Mit der Unterstützung der Projektmentoren arrangierte sie ein Treffen im Ward Office, indem sie einen Antrag auf Unterstützung bei der Beschaffung der benötigten Maschinen stellte.

Zukünftige Pläne

Shilas Pläne für die Zukunft hören hier nicht auf. Sie ist dabei, ihr Produkt in anderen nahen gelegenen Gebieten, Krankenhäusern und Kosmetikgeschäften zu vermarkten. Ebenso plant sie, andere Frauen in ländlichen Gebieten im Nähen von Damenbinden zu schulen, wenn sich die Gelegenheit bietet, und ihnen eine Rückkaufgarantie durch ihr Unternehmen zu geben.

Nepal Minergy Workshop 2020 Tirtha Maharjan

Lokale Regierungsinitiativen unterstützen weibliches Unternehmertum

Tirtha Devi Maharjan lebt in Siddhipur im Distrikt Lalitpur und betreibt zusammen mit ihrer Freundin Nirmala Maharjan, die im selben Ort lebt, ein Unternehmen für wiederverwendbare Damenbinden. Die beiden Unternehmerinnen erhielten im November 2020 zusammen mit weiteren 23 Auszubildenden aus ihrer Gemeinde ein Training zum Thema "Wiederverwendbare Damenbinden und unternehmerische Fähigkeiten". Vor dem Training war ihnen nicht bewusst, dass sie mit der Produktion und Vermarktung von wiederverwendbaren Damenbinden zusätzliches Geld verdienen können.

Als sie einen Monat nach Beendigung ihrer Ausbildung ihr Unternehmen starteten, entsprachen die Materialien, die sie für die Herstellung von Damenbinden verwendeten, nicht dem Qualitätsstandard von X-Pose Nepal, der Organisation, die wiederverwendbare Damenbinden in Nepal eingeführt hat und die auch die Ausbildung für sie durchgeführt hat. Einen Monat später recherchierten Tirtha Devi und das Team auf dem Markt, wo genau sie ähnliche Rohprodukte wie die von X-Pose Nepal finden könnten. Jetzt liefern sie ihre Produkte im Freundeskreis, an Verwandte, Apotheken und kleine Geschäfte. Nirmalas Ehemann betreibt ein kleines Geschäft, von dem aus ihre Produkte ebenfalls verbreitet werden.

Herausforderungen

Obwohl Fortschritte gemacht wurden, stehen sie immer noch vor Herausforderungen bei der Vermarktung im großen Stil. Als sie von der Unterstützung des Ward Office beim Kauf der Maschinenausrüstung und der Schaffung eines günstigen Geschäftsumfelds in der Gegend hörten, gründeten sie eifrig eine Frauengruppe, um die Gruppe als Genossenschaft zu registrieren. Die Registrierung einer Gruppe war eines der Kriterien, um die Unterstützung des Ward Office zu erhalten. Dank der Zusammenarbeit mit der Frauengruppe von Siddhipur, welche das Team bei der Registrierung unterstützte, funktionierte es. Um die Herausforderungen bei der Vermarktung anzugehen, hat das Projekt sie auch mit Abnehmerinnen (Frauen in einer der Ziegelindustrien) im benachbarten Bezirk verbunden. Die Projektmentor*innen unterstützen die Gruppe in jeder ihrer Etappen, z. B. bei der Herstellung von Marktverbindungen und der Qualitätsverbesserung.

Zukünftige Pläne

Tirtha Devi und das Team planen, die Maschinenunterstützung und andere Unterstützung, die sie von ihrem Ward Office erhalten haben, zu nutzen, um ihre Produkte in den örtlichen Schulen, Gesundheitsstationen und Krankenhäusern zu vermarkten.

Nepal Minergy Workshop 2020 Nirmala Maharjan
Nepal Minergy Workshop 2020 Chiri Maya Neu

Ohne Fleiß kein Preis

Chiri Maya Maharjan aus Siddhipur im Distrikt Lalitpur, Nepal, ist 43 Jahre alt und war früher eine engagierte Hausfrau. "Ich habe meine Kinder zu Hause gelassen, um an der Schulung teilzunehmen. Am ersten Tag der Schulung konnte ich mich nicht auf die Empowerment-Sitzung konzentrieren, da ich mir ständig Sorgen um meine Kinder machte. Nach der Empowerment-Sitzung wurde mir klar, dass ich mich auch um mich selbst kümmern sollte, und das hilft mir, mich um andere zu kümmern, einschließlich meiner Familie und Kinder. So begann ich, mich auf die Trainingseinheiten zu konzentrieren.“

Herausforderungen

Im November 2020 nahm Chiri Maya an einem Training "Wiederverwendbare Damenbinden und unternehmerische Fähigkeiten" als Teil des Projekts "Antwort auf COVID-19 Auswirkungen im Umgang mit Menstruationshygiene und Schaffung von Lebensunterhaltsoptionen auf lokaler Ebene" teil. Während des Trainings war sie die einzige Teilnehmerin, welche die Nähmaschine nicht bedienen konnte.  Gleich nach Abschluss des Trainings begann sie mit Hilfe einer Verwandten das Nähen zu üben. Als Übung fertigte sie einige Röcke für sich selbst und einige Mützen und Einkaufstaschen zum Verkauf an. Neben den neuen Möglichkeiten und den erworbenen Fähigkeiten sagte Chiri Maya, dass das Training ihr geholfen hat, ihr Selbstvertrauen zu stärken und neue Dinge zu lernen. Ihr Gefühl leitet Chiri Maya dazu, intensiver mit der Nähmaschine umzugehen und wiederverwendbare Damenbinden und andere Stoffmaterialien wie Küchenservietten und Einkaufstaschen herzustellen. Außerdem hat sie das Gefühl, dass sie mehr über die Aspekte des Geschäftsbetriebs lernen muss, wie z. B. die Erschließung neuer Märkte, wie man die Qualität der Produkte aufrechterhält und prüft und wie man Zugang zu Krediten erhält, wenn diese von der lokalen Regierung gewährt werden. 

Zukünftige Pläne

Mit der Unterstützung einer Frauengruppe beschäftigt sie sich mit der Vermarktung der wiederverwendbaren Damenbinden. Sie arbeitet auch mit ihren Freundinnen Nirmala Maharjan und Tirtha Devi Maharjan beim Nähen von Binden zusammen. Chiri Maya plant, wiederverwendbare Damenbinden unter den 700 Mitgliedern der Didi-Bahini Saving and Credit Cooperative Limited zu vermarkten, um die Produktion zu steigern. Dieser Schritt in eine bessere Zukunft wird es ihr ermöglichen, Arbeitsmöglichkeiten in ihrer Gemeinde zu schaffen.

Chiri Maya ist zu einer echten Inspiration für andere Frauen in ihrer Gemeinde geworden. Sie sagt, dass sie sich während der Ausbildungstage nicht wohl fühlte, da sie als einzige die Nähmaschine nicht bedienen konnte.  Nachdem sie die Bedienung der Nähmaschine gelernt hat, ist sie glücklich und stolz auf sich und kann verschiedene Stoffprodukte wie Küchenbinden, wiederverwendbare Damenbinden, Mützen, Einkaufstaschen, Röcke usw. herstellen. "Wenn ich die Frauengruppe (Didi-Bahini Saving and Credit Cooperative Limited) besuche, spreche ich mit den Frauen darüber, wie sie ihre Produkte vermarkten und ihr Geschäft ausbauen können. Früher sprachen sie immer über andere Leute. Es braucht Zeit, um erfolgreich zu werden, aber wenn man es versucht, wird man es eines Tages bestimmt schaffen", sagt Chiri Maya.