Nachhaltigkeit - unsere SDGs für das Projekt “Micani sin Humo” im Kontext der Oktoberkurzausreise 2017

Nachhaltigkeit - unsere SDGs für das Projekt “Micani sin Humo” im Kontext der Oktoberkurzausreise 2017

Die UN legte im Jahre 2015 mit den “Sustainable Development Goals” eine klare politische Richtlinie fest: Im Fokus der Entwicklung aller Länder soll zukünftig die Nachhaltigkeit an erster Stelle stehen. In den 17 Zielformulierungen der Agenda, die bis 2030 erfüllt werden sollen, taucht mehr als 20 Mal der Begriff “nachhaltig” auf. Auch Ingenieure ohne Grenzen hat sich Nachhaltigkeit als Leitbegriff für das eigene Handeln auf die Fahnen geschrieben.

Aber wie setzen wir diesen in der Entwicklungsarbeit wichtigen Grundsatz konkret  in unserem Projekt “Micani sin Humo”um?

Nachhaltiges Wirtschaften wird gerne umschrieben mit der Formulierung “so zu leben (wirtschaften), dass auch die nächsten Generationen gut leben können”. Es steht also die zeitliche Komponente im Vordergrund, sozusagen der Blick durch das Weitwinkelobjektiv in die Zukunft. Erstmals warf Carl von Carlowitz, der als Begründer der Nachhaltigkeit gilt, 1713 einen Blick durch dieses Weitwinkelobjektiv indem er die These aufstellte, dass “immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung, durch Säen und Pflanzen nachwachsen“ kann.

Auch 300 Jahre später ist dieser Leitfaden noch einer unserer Ausgangspunkte für die Implementierung von effizienten Kochstellen in (abgelegenen) bolivianischen Dörfern, die im laufenden Betrieb nur die Hälfte des bisherigen Holzmenge benötigen.

Unser Projekteinsatz ist jedoch ausgelegt auf einen Nachhaltigkeitsbegriff in einem weit umfassenderen Sinne: Es geht uns nicht nur darum, eine Technologie zu entwickeln, die den Menschen in Bolivien eine nachhaltige Lebensweise ermöglicht, sondern gleichrangig um die oben angesprochene zeitliche Dimension: Die Selbsterhaltung der Technologie vor Ort zu dauerhaft zu gewährleisten. Dies wird ein Schwerpunkt der bevorstehenden Kurzausreise sein, während der vermutlich keine Kochstellen implementiert werden. Drei große Ziele haben Christoph Netsch und Laura Coordt während ihrer sechswöchigen Ausreise im Gepäck..

Ein Ziel und gleichzeitig die Voraussetzung für eine dauerhafte Nachhaltigkeit soll die Ausbildung sogenannter “expertos locales” sein, also lokaler Experten (Ansässiger vor Ort), denen das Fachwissen vermittelt wird. In einem Testlauf wurden bereits letztes Jahr zwei Experten im Kochstellenbau à la IOG ausgebildet. Diese expertos locales implementierten ihrerseits  Öfen in mehreren Dörfern, welche bei den üblichen Implementierung durch Berufsschülergruppen schwer zu erreichen sind.

Die essentiell notwendige Vor- und Nachbetreuung des laufenden Betriebs der Öfen gestaltet sich jedoch für die Schülerguppen sowie die beiden lokalen Experten aufgrund der Abgelegenheit der Dörfer und der weiten Distanzen innerhalb eines Dorfes als schwierig. Teilweise muss 1,5 std. Fussmarsch eingeplant werden, um seine Nachbarn zu besuchen.

Unsere Partnerorganisation in Bolivien, SODIS, hat daher aus 10 Dörfern, die zum Teil bereits mit Kochstellen ausgestattet sind, Frauen und Männer ausgewählt, welche im kommenden Jahr 2018 in einer Workshop-Reihe zu Allround-Experten ausgebildet werden sollen. Da sie unmittelbar vor Ort wohnen, können sie den Dorfbewohnern bei Fragen zur Benutzung und Wartung der Öfen dauerhaft zur Verfügung stehen. Zum Aufgabenspektrum der Allround-Experten sollen auch anfallende Reparaturen sowie der Bau neuer Kochstellen gehören. Die  Workshops werden in Kooperation mit unserer Partnerorganisation SODIS durchgeführt, deren zentraler Tätigkeitschwerpunkt in der Umsetzung des Hygienekonzept WASH liegt. Letzteres wird daher ebenfalls Bestandteil der Schulungsreihe bilden.

 

Wir möchten unsere Anwesenheit an der ersten Workshop-Schulung nutzen, um unser zweites zentrales Aufgabenziel für unser Nachhaltigkeitskonzept einzubringen. Manch einer würde schmunzelnd sagen, es handele sich um einen sehr deutschen Aspekt: Wir wollen Normen für den korrekten Betrieb der Öfen festlegen und deren laufenden Erfassung vor Ort mit einem erarbeiteten Konzept gewährleisten.

Vor dem erfreulichen Hintergrund, dass immer mehr Kochstellen auch von Externen wie beispielsweise den Lokalexperten gebaut werden sollen und wir für das Jahr 2018 daher das Ziel verfolgen, die 400er-Grenzmarke an gebauten Öfen zu überschreiten, erscheint eine direkte Überprüfung der von uns festgelegten „IOG-Kochstellen-Norm“ für jeden Einzelfall kaum umsetzbar und auch nicht zielführend im Sinne unseres Nachhaltigkeitskonzepts. Viel sinnvoller ist es unseres Erachtens, wenn die Lokalexperten Daten über gebaute Öfen selbst sammeln, ggf. dabei defekte Kochstellen sofort reparieren, sowie Neubauten dokumentieren und diese an SODIS und uns rückmelden. Dies erfordert die Schaffung einer Vertrauensbasis und eines stabilen Konzepts für eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen den Lokalexperten einerseits und unserer Projektgruppe und der Partnerorganisation SODIS andererseits. Diese Basis dafür wollen wir in den folgenden Wochen legen. Aber auch ein erfolgreich funktionierendes Konzept wird weder die regelmäßigen Kontrollen durch SODIS-Mitarbeiter noch die geplante große Evaluation durch uns Projektmitarbeiter im Sommer 2018 ersetzen können. Jedoch soll dadurch eine Selbsterhaltung der Technologie geschaffen werden, die uns weitgehend in die Beobachterrolle rückt.

 

Außerdem schwebt SODIS und uns für den Sommer 2018 die Vision von einem “Micani sin Humo extended” vor. Bis jetzt wurden vorwiegend Öfen in Familienhäusern implementiert. Nun soll auch ein Augenmerk auf die vielen verstreuten Dorfschulen in der Region Micani gelegt werden. Die Schüler sammeln bisher auf dem Schulweg aufwendig Holz, um die Kóncha (offene traditionelle Kochstelle) für das Mittagessen anzuheizen. Der Bau von verbesserten Schulkochstellen, würde aufgrund des geringeren Holzverbrauchs nicht nur diesen beträchtlichen Aufwand des täglichen Holzsammelns vor Schulbeginn reduzieren und den Alltag an den Schulen erleichtern. Wir sind auch zuversichtlich, dass durch die eingesparte Zeit der Schüler und die Mundpropaganda der Schüler auch die Neugierde der Familienangehörigen aus den Dörfern nach der neuen „Technologie“ steigt.

Die Gegebenheiten, Voraussetzungen und Herausforderung für den Bau von Schulkochstellen im Sommer sollen bei dieser Ausreise genauer unter die Lupe genommen werden.

Durch eine künftige erfolgreiche Implementierung an den Schulen soll die Grundvoraussetzung für eine steigende Nachfrage in der Region geschaffen werden. Darauf aufbauend soll langfristig auch die Fertigung der bisher nicht lokalen Komponenten wie dem Kaminrohr in die Region verlegt werden können und so ein eigener kleiner Markt dafür geschaffen werden.