Micani sin Humo - eine Reflektion nach 150 Kochstellen

Micani sin Humo - eine Reflektion nach 150 Kochstellen

Es ist fast ein Jahr her, dass wir gemeinsam mit unserem bolivianischen Partner, der Fundación Sodis, das Projekt Micani sin Humo (Rauchfreies Micani) ins Leben gerufen haben. Motiviert durch die Interviews und Beobachtungen unserer ersten Zwischenevaluation träumten wir davon, allen zwanzig Gemeinden des Bezirks Micani rauchfreie Kochstellen zu ermöglichen, denn der Kochstellenbau hatte in Tacacopa außerordentlich gut funktioniert: Auch jetzt nach zwei Jahren sind die gemeinsam mit lokalen Berufsschülern errichteten Kochstellen tagtäglich in Benutzung. Auch als ihre Brennholzablage wegen der hohen Temperaturbelastung zu verschleißen begann, wusste sich eine Familie zu helfen. Sie ließ sich eigens in der sieben Stunden entfernten Großstadt Cochabamba eine neue anfertigen. Die Bereitschaft, solche Mühen auf sich zu nehmen, beweist Wertschätzung für die neue Kochtechnologie. Die Beobachtung zeigt uns aber auch, wie wichtig es ist, innerhalb der Region Strukturen für die Wartung, Reparatur und Weiterverbreitung von Kochstellen zu schaffen - und zwar auch für die Zeit lange nach Beendigung unserer Arbeit vor Ort. Damit lokale Akteure einen Anreiz sehen, im Kochstellenbau aktiv zu werden, müssen sich solche Strukturen selbst tragen können. Daher sahen wir die Notwendigkeit flächendeckend im gesamten Bezirk Micani die Kochstellen zu verbreiten und dadurch eine erhöhte Nachfrage nach Ersatzteilen zu schaffen, nicht mehr nur vereinzelt in sehr weit verstreuten Gemeinden.

Noch bleibt uns bis Ende 2018, um dieses erklärte Ziel zu erreichen. In elf Gemeinden Micanis waren unser Partner Sodis und wir bereits aktiv. Dabei wurden inzwischen in 150 Haushalten rauchfreie Kochstellen errichtet. Teilweise erfolgte der Bau der Kochstellen gemeinsam mit Schülergruppen zweier Berufsschulen, teilweise auch unter Anleitung zweier lokaler Experten, die Sodis eigens für diese Aufgabe angeleitet hatte. Die Herausforderungen sind dabei groß. Die Gemeinden liegen über einen sehr großen Raum verstreut, manche sind sehr isoliert. Der logistische Aufwand die Gemeinden mehrfach im Vorfeld zu besuchen, um sie zu motivieren, sich für das Projekt vorzubereiten, ist groß, ähnlich ist es bei der Nachbetreuung. Die lokalen Mitarbeiter von Sodis werden durch diese Vielzahl an Aufgaben ziemlich auf Trab gehalten. Dabei ist es gerade diese soziale Arbeit mit den Gemeinden, die zwischen Erfolg und Misserfolg eines Projektes entscheidet.

Auch gilt es sicherzustellen, dass die Unterstützung beim Kochstellenbau zunächst in denjenigen Gemeinden ankommt, wo sie am nötigsten ist. Gerade das sind jedoch die entlegensten Gemeinden in den hohen Gebirgslagen, in denen Holz am knappsten ist und die Gänge zum Holz sammeln mehrere Stunden dauern. In diesen schwer zu erreichenden Gemeinden ist der Kochstellenbau unterstützt durch Berufschulklassen besonders schwierig: Bei der Reise in die Gemeinde Hipote diesen Juni mussten einzelne Schülergruppendes Instituto Tecnológico Sayarinapaj Wege von anderthalb Stunden auf sich nehmen, alleine um vom gemeinsamen Camp aus ihre "Baustellen" zu erreichen. Aber auch wenn der Weg beschwerlich war, war für die Schüler keine Option, diesen Familien ihre Hilfe zu verweigern.

Ala Cruz ist eine Gemeinde in der Kochstellen ausschließlich unter Anleitung eines der lokalen Experten gebaut worden war. Benedicto hatte meine Erwartungen vorab schon etwas gebremst. Es sei ihm nicht in allen Gemeinden, in denen er gearbeitet habe, gelungen die BewohnerInnen gleichermaßen von der neuen Technologie zu begeistern. Das sei von Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich. In der Tat sehe ich viele Kochstellen, die zwar gut gebaut sind, aber offensichtlich nicht alle in regelmäßiger Benutzung sind. Wieso hatte der Lokalexperte es in dieser Gemeinde nicht geschafft seine Begeisterung und sein Wissen über die sauberen Kochstellen so weiterzugeben, wie es die Berufsschüler in Tacacopa geschafft hatten? Das gilt es nun besser zu verstehen und eine Antwort darauf zu finden.

Die Antwort von Sodis scheint schlüssig: Das Konzept der Lokalexperten muss neu überdacht werden. Es brauche mehr Präsenz der ExpertInnen vor Ort, damit sie im Vorfeld die Gemeinde gut auf das Projekt vorbereiten können und auch nach dem Bau der Kochstellen Hilfestellungen bei Problemen mit der Nutzung und Wartung geben können. Anstatt wie zuvor einige wenige Experten in die Gemeinden zu schicken, wolle man in den kommenden Monaten damit beginnen, Frauen und Männern aus den Gemeinden selbst auszubilden. Diese werden in ihrem eigenen Dorf die Rolle eines  Botschafters und Experten einnehmen und ihr erlangtes Wissen über die rauchfreien Kochstellen und andere Gesundheits- und Hygienethemen weitertragen. Die 150. Kochstelle gibt uns Grund zum Feiern. Zugleich regt sie an darüber nachzudenken, wie wir das Projekt weiterhin besser gestalten wollen. Wie können wir die Verbreitung der Kochstellen selbsttragender gestalten? Wie gehen wir mit dem wachsenden Interesse von Gemeinden aus den Nachbarbezirken an unserem Projekt um? Und wie können wir weiterhin die Qualität unseres Projektes verbessern - sowohl die Qualität der Technologie selbst, wie auch die der Bildungsarbeit, welche mit der Verbreitung der Technologie einhergeht?

 

Verfasser: Christoph Netsch