Die Dorfschule Orkhubamba - ein Leuchtturm der Region San Pedro

Die Dorfschule Orkhubamba - ein Leuchtturm der Region San Pedro

Luis ist elf Jahre alt und besucht die Schule in Ork'ubamba. Für ihn ist es das letzte Schuljahr an der Dorfschule. Danach wird er in eine der größeren Gemeinden San Pedros wechseln müssen, ins Internat. Denn nur in einem dieser elf Nucleos kann er seine Ausbildung in der Sekundarschule fortsetzen. Ob er das machen wird oder nicht, kann sein Lehrer Fernando uns noch nicht sagen. Viele Familien in den ganz entlegenen Gemeinden wie Ork'ubamba entscheiden sich auch, ihre Kinder daheim zu behalten: Sie sollen im elterlichen kleinen Hof mithelfen und diesen später fortführen. Allerdings erkennen immer mehr Eltern den Wert von Bildung in einer Region, in der es auf Grund zunehmender Dürren immer schwieriger wird, die Familie durch die Landwirtschaft zu ernähren. Manche Eltern schaffen es sogar mit dem Verkauf von Vieh, ihren Töchtern und Söhnen ein Studium in der nächstgelegenen Großstadt Cochabamba zu finanzieren.

Dem Lehrer Fernando glitzern die Augen, als er uns beim Frühstück von solchen Erfolgsgeschichten erzählt. Er ist merklich bemüht seinen Schützlingen eine möglichst gute Grundausbildung zu ermöglichen. Bei ihm lernen sie zunächst einmal Spanisch und auch ein paar Wörter Englisch. Der Rest des Unterrichts findet dann aber in der Muttersprache Quechua statt. Rechnen müsse man können. Und auch über die Geschichte Boliviens müssen Luis und seine KlassenkameradInnen unbedingt Bescheid wissen. Hinter seinem Schreibtisch schauen Simon Bolivar und Mariscal Sucre, die beiden Befreier Boliviens, auf uns herab. Allerdings ist Fernando klar, dass die Hürden, die seine SchülerInnen nehmen müssen, besonders hoch sind. Die Dorfschulen sind allesamt klein. Eine Unterteilung in Klassenstufen ist nicht möglich. Daher müssen die drei Lehrer alle 62 SchülerInnen gemeinsam unterrichten - so gut es halt gehe, man arrangiere sich. Fernando störe sich am meisten über die fehlende Würdigung seiner Arbeit durch die Behörden. Mit seiner Frau und der kleinen Tochter lebt er auf dem Schulgelände in einer Lehmhütte. Für den Stadtmenschen Fernando war das zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. Immerhin ist die Dorfschule Ork'ubambas eine der am besten ausgestatteten Schulen der Region. Vor einigen Jahren hatte ein großes Mobilfunkunternehmen hier ein neues Schulgebäude errichtet, mitsamt Photovoltaikmodulen und Satellitenschüssel. Aus der Ecke des Klassenraums brummt laut ein kleiner Server. Wofür der da ist, weiß allerdings keiner so genau: der letzte Eintrag im Internetverlauf der drei Schulrechner ist 15 Monate alt.

Die starke Gebirgssonne steht schon hoch als Luis um kurz vor zehn mit seiner kleinen Schwester Marie-Elena im Schlepptau in der Dorfschule Ork'ubamba eintrifft. Von ihm aus könne der Unterricht schon früher beginnen, denn er wohnt mit seiner Familie kein zwanzig Minuten entfernt am Eingang des Ortes. Doch auch auf die anderen Kinder muss Rücksicht genommen werden. Einige von ihnen kommen aus den noch kleineren umliegenden Gemeinden - häufig nur ein paar verstreute Höfe auf den unwirtlichsten Berghängen. Sie führt der Schulweg hinauf aus dem tiefer gelegenen Flussbett des Rio Grandes. Oder sie müssen aus den höher gelegenen Bergdörfern hinabsteigen. Für sie ist es nicht ungewöhnlich, dass der Schulweg täglich anderthalb Stunden dauert - in jede Richtung!

Eines ist für uns etwas kurios. Alle der allmählich eintrudelnden Kinder schleppen ein Bündel Holz. Das sammeln sie täglich auf dem Schulweg oder bringen es von zuhause zur Schule mit. Das Desayuno escolar (Schulfrühstück) ist in den letzten Jahren in ganz Bolivien zur Institution geworden. So will man garantieren, dass jedes Kind täglich eine kostenlose, reichhaltige Mahlzeit isst. Das Brennholz für die großen Kochfeuerstellen müssen die Kinder aber selbst mitbringen, denn Brennholz ist knapp in der Region. Gerade in den höher gelegenen Gemeinden wie Ork'ubamba muss jede Familie täglich viel Zeit aufwenden zum Holz sammeln an den Fluss herunter zu wandern.

Für unseren Partner der Fundación Sodis und uns ist es daher nur logisch, dass unser Fokus bei unserem erklärten Ziel, in den nächsten Jahren eine saubere Kochtechnologie in der Region um San Pedro zu verbreiten gerade die Schulen beinhalten muss. In den Gemeinden sind die Schulen Leuchttürme: Lernen die Kinder von unserem Partner Sodis dort sich regelmäßig die Hände zu waschen und ihr Wasser zu filtern, bekommt das die ganze Familie mit. Und wenn die Eltern merken, dass sie ihren Kindern nicht einmal halb so viel Brennholz auf den Schulweg mitgeben müssen, lernen sie die Vorteile einer neuen, rauchfreien Küche viel mehr zu schätzen als durch jede Erzählung. Natürlich hoffen wir, dass auf diese Weise noch mehr Gemeinden an uns herantreten mit dem Wunsch auch bei sich saubere Kochstellen zu errichten.

Nach den spannenden Beobachtungen der letzten Ausreise kommen hier in Deutschland neue Aufgaben auf uns zu. Zunächst werden wir eine Kochstelle entwickeln, die ausreichend groß ist um eine gesamte Dorfschule zu bekochen. An der Berufsschule in San Pedro de Buenavista soll sie dann getestet und verbessert werden. Dort sollen dann auch durch die angehenden TechnikerInnen die Bauteile der Kochstelle gefertigt werden, wenn wir ab 2018 Sodis dabei unterstützen wollen diesen Plan in die Tat umzusetzen.

 

Verfasser: Christoph Netsch